Sechs Wochen mit der rollenden Klinik durch den Dschungel – Landärztin Dr. Karen Groß zum Hilfseinsatz in Sierra Leone. Pfarrer Thomas Plesch dankte Dr. Karen Groß für ihren außergewöhnlichen Vortrag.
Zu einem höchst interessanten Vortrag lud die evangelische Kirchengemeinde Tittling in die Kreuzkirche ein, bei dem die Hausärztin Dr. Karen Groß von ihrem Hilfseinsatz mit den German Doctors in Sierra Leone berichtete. Die Erlebnisse und Erfahrungen beeindruckten über 70 Zuhörer, die dafür sorgten, dass die Kreuzkirche bis auf den letzten Platz gefüllt war.
Die Kirchen seien zu leer und zu kalt heiße es gerne, doch heute stimme weder das eine noch das andere meinte Pfarrer Thomas Plesch humorvoll bei seiner Begrüßung. Das Thema sei eine nachdenkliche, interessante und bewegende Reise nach Afrika. Damit übergab er das Wort an Dr. Karen Groß aus Preying, die in Saldenburg praktiziert und die vom 18. Juni 2024 bis 26. Juli 2024 im Rahmen des ehrenamtlichen Hilfsprojekts WEL BODI, German Doctors in Sierra Leone weilte.
Das westafrikanische Land sei in etwa so groß wie Bayern und habe etwas über acht Millionen Einwohner, schilderte Dr. Groß. Aufgrund der großen Armut liege die Lebenserwartung im Schnitt bei 56 Jahren, nur etwa 48 Prozent der Erwachsenen können Lesen und Schreiben und als Folge des Bürgerkrieges gebe es viele Menschen mit Verstümmelungen und auch die Infrastruktur sei noch immer stark beschädigt. Ebola- und Covidepidemien hätten ein Übriges getan. Die Preise seien hoch, ganz besonders problematisch sei das im Bereich der Kraftstoffe wo ein Liter Benzin einen Euro koste. Dabei sei das Land reich an Rohstoffen, produziere Kakao und Kaffee im Überfluss und sei bekannt für seine Südfrüchte, vor allem Bananen. Doch leider werde fast alles ins Ausland geschafft, weil viele Produktionsstätten verkauft seien.
Viele Mädchen werden mit 15 Jahren schon schwanger, die Missbrauchsquote von Frauen sei hoch und nur etwa 28 Prozent der Menschen haben Zugang zum Strom, im ländlichen Bereich noch viel weniger. Die Frauen und Mädchen seien weitgehend zuständig für das Herbeischaffen von Wasser. Die sanitäre Situation sei sehr gewöhnungsbedürftig, eine Müllabfuhr gebe es nicht und alles spiele sich im Freien und auf den Straßen ab. Lediglich geschlafen werde im Haus. Dr. Karen Groß schilderte noch Vieles zum Leben, zur Schulbildung, die im Argen liege, zur Religion und dem Kirchenbesuch, zur Ernährung und hier zur mangelhaften Nutztierhaltung, mit Ausnahme von Hühnern und Enten in diesem afrikanischen Staat.
Das Projekt WEL BODI German Doctors beinhalte Aufklärungsvorträge über Familienplanung, über Gesundheitsvorsorge und natürlich die unmittelbare ärztliche Hilfe bei Krankheiten bis hin zur Vorbeugung, wie den notwendigen Impfungen, beispielsweise zur Malariaprofilaxe. Eines der Projektziele sei auch die Verbesserung der Versorgungsqualität in den Gesundheitszentren. Der sechswöchige Einsatz fand in Zusammenarbeit der German Doctors mit dem Gesundheitsministerium von Sierra Leone statt. Sie habe sich auch auf diesen Hilfseinsatz vorbereiten müssen, erzählt Dr. Karen Groß. Da habe es Vorbereitungs- und Sicherheitsseminare gegeben und die üblichen Impfungen gegen Tropenkrankheiten wie Malaria.
Im Land habe es dann viele Straßensperren mit Kontrollen gegeben. Das sogenannte „Doctor House“ sei förmlich eingemauert mit einer hohen Mauer umgeben gewesen. Von dem Mini-Solarpark habe es zwar Strom gegeben, aber recht unregelmäßig. Jeden Morgen sei sie mit ihrem Team gegen acht Uhr zum Arbeitseinsatz ausgerückt.
Weil Regenzeit herrschte, waren die Straßen in einem noch erbärmlicheren Zustand als sonst, so dass die Geländefahrzeuge in den Schlammwüsten immer wieder stecken blieben. Mit eindrucksvollen Bildern verdeutlichte die Referentin die Situation. Als Problem schilderte sie den Transport Kranker, vor allem von Kindern zum Krankenhaus. Teilweise fehle der Sprit, damit die Geländewägen bewegt werden können. Sei das Kind dann im Hospital, werde auch gleich die Impfung vorgeschlagen und durchgeführt. Wie man den Bildern entnehmen konnte, war der Warteraum bei den Sprechstunden immer prall gefüllt. Es gebe zwar auch Dolmetscher, es sei aber ein Problem, weil die wenigsten aus der Medizin kommen.
Manches sei aber auch gut, beeindruckend sei für sie das Können der Helferinnen und Helfer gewesen. Es gebe sehr viele begabte Menschen. In den Krankenhäusern gebe es zwar eine medizinische Versorgung, bei der weiteren müsse man vieles selbst einbringen. Ein Problem sei auch die Aufbewahrung von Medikamenten die kühl gelagert werden müssen. Grundsätzlich sei einiges an Medikamenten vor Ort, es gebe Apotheken und sogenannte fliegende Händler, bei denen man kaufen könne und auch sie habe, wie die Kolleginnen und Kollegen, einiges aus Bayern mitgebracht.
Mit der Feststellung, dass dieser Hilfseinsatz für sie persönlich eine sehr wertvolle Erfahrung gewesen sei, weil sie gesehen habe, mit wie wenig die Menschen dort auskommen können, beendete Frau Dr. Karen Groß ihren spannenden und beeindruckenden Vortrag. Pfarrer Thomas Plesch gab zu bedenken, dass Andere sechs Wochen auf den Malediven Urlaub machen, sich dort dann über das unzureichend All Inclusive Büffet beschweren und Kleinigkeiten kritisieren. Das hätte sich die Ärztin auch locker leisten können aber einen anderen Weg gewählt.
Unter kräftigem Beifall stellte der Pfarrer fest, dass für diese sechs Wochen Hilfseinsatz Dr. Karen Groß eine Tapferkeitsmedaille verdient hätte. Die Besucher lud er zu einem kleinen Imbiss ein, damit sie noch zu einem Ratsch und Erfahrungsaustausch bleiben konnten. Am Ausgang stand dann ein Körbchen, in das man eine Spende legen konnte, die unmittelbar dem Projekt zu Gute komme. Insgesamt 920,40 € kamen an diesem Abend zusammen. Text: Josef Heisl, Fotos: Heisl/Groß